Joseph Fouché: Bildnis eines politischen Menschen by Stefan Zweig

Joseph Fouché: Bildnis eines politischen Menschen by Stefan Zweig

Autor:Stefan Zweig [Stefan Zweig]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-01-31T23:00:00+00:00


Fünftes Kapitel

Minister des Kaisers

1804–1811

1802 zieht sich Joseph Fouché oder nein – Seine Exzellenz der Herr Senator Joseph Fouché, auf den sanft nachdrücklichen Wunsch des Ersten Konsuls in das Privatleben zurück, aus dem er vor zehn Jahren emporgestiegen. Unglaubliches Jahrzehnt, menschenmörderisch und schicksalsvoll, weltverwandelnd und lebensgefährlich – aber Joseph Fouché hat solche Zeit gut zu nutzen gewußt. Nicht, wie 1794, flüchtet er in eine ungeheizte, erbärmliche Dachmansarde zurück, sondern er kauft sich ein schönes wohlausgestattetes Haus in der Rue Cerutti, das einst einem der »niederträchtigen Aristokraten« oder »infamen Reichen« gehört haben mochte. In Ferrières, der zukünftigen Residenz der Rothschild, richtet er sich den prächtigen Sommersitz ein, und sein Fürstentum in der Provence, die Senatorie von Aix, schickte ihm fleißig Einnahmen. Auch sonst meistert er vorbildlich die edle Alchimistenkunst, aus allem Gold zu machen. Seine Schützlinge an der Börse beteiligen ihn an ihren Geschäften, er erweitert vorteilhaft seinen Grundbesitz – ein paar Jahre noch, und der Mann des ersten kommunistischen Manifestes wird der zweitreichste Bürger Frankreichs, der größte Grundbesitzer im Lande sein. Aus dem Tiger von Lyon ist ein guter Hamster geworden, ein kluger sparsamer Kapitalist und Zinsenkünstler. Dieser phantastische Reichtum des politischen Emporkömmlings ändert aber nichts an seiner eingeborenen und dann in Klosterzucht beharrlich geübten Bedürfnislosigkeit. Mit fünfzehn Millionen lebt Joseph Fouché persönlich kaum anders, als da er mühsam die täglichen fünfzehn Sous in seiner Mansarde zusammenkratzte; er raucht nicht, er trinkt nicht, er spielt nicht, er gibt kein Geld für Frauen oder Eitelkeiten aus. Ganz wie ein biederer Landjunker geht er mit seinen Kindern – drei neue wurden den beiden an Entbehrungen zugrunde gegangenen nachgeboren – friedlich auf seinen Wiesen spazieren, gibt gelegentlich kleine Gesellschaften, hört zu, wenn Freunde seiner Frau Musik machen, liest Bücher und freut sich an klugen Gesprächen: ganz tief, ganz ungreifbar unten in diesem nüchternen, knöchernen Bürgermenschen versteckt sich seine dämonische Lust am Hasardspiel der Politik, an den Spannungen und Gefahren des Weltspiels. Seine Nachbarn sehen nichts von alledem, nur den biedern Gutsverwalter, den ausgezeichneten Familienvater, den zärtlichen Gatten. Und keiner, der ihn nicht vom Amte her kennt, ahnt die hinter heiterer Schweigsamkeit immer unruhiger zurückgestaute Leidenschaft, sich wieder vorzudrängen und einzumengen.

Denn, Medusenblick der Macht! Wer einmal in ihr Antlitz gesehen, kann nicht mehr den Blick von ihr wenden, bleibt bezaubert und gebannt. Wer einmal die Rauschlust des Herrschens und Gebietens geübt, vermag ihr nie mehr zu entsagen. Man durchblättere die Weltgeschichte nach Beispielen freiwilligen Entsagens: außer Sulla und Karl V. findet man unter Tausenden und Zehntausenden von Gestalten kaum ein Dutzend, die gesättigten Herzens und klaren Sinns der fast frevlerischen Lust entsagten, Schicksal für Millionen zu spielen. Sowenig eben wie ein Spieler vom Spiel, der Trinker vom Trunk, der Wilddieb von der Jagd kann Joseph Fouché vom Politischen lassen. Die Ruhe quält ihn, und indes er heiter, mit gut geheuchelter Gleichgültigkeit den Cincinnatus am Pfluge mimt, brennen ihm schon die Finger und zucken ihm die Nerven, wieder politische Karten zu fassen. Obwohl aus dem Dienst entlassen, setzt er den Polizeidienst freiwillig fort, und um die



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